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Barhill Records/ https://barhillrecords.de/

Es begab sich vor wenigen Tagen, als ich auf einer musikalischen Abendvorstellung für Erwachsene unbemerkt von der (durchaus charmanten, namens S.) Begleitung eines bärtigen, mich in meiner Abendgarderobe kopierenden und nach indischem Finger Food duftenden Landstreichers,  ein seltsames Tape mit deer Aufschrift „Wir sind Fliegen“ in die Jackentasche gesteckt bekam. Ein Augenzwinkern später und einigen Bieren zum Trotz ging mir diese seltsame Begebenheit nicht mehr aus dem Kopf und ich wollte ganz schnell wissen, was es mit diesen „Wir sind Fliegen“ auf sich hat. Ganz so einfach konnte ich das Geheimnis aber nicht lüften, weil meine letzten Tapedecks bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten auf irgendeinem Flohmarkt von mir weit unter Wert verhökert wurden, damit  zumindest ein paar Taler meine Hosentaschen füllten und ich mich auf den Weg in den Neonschein der Nacht begeben konnte.

Nach stundenlanger Suche in den von Mäuseköteln (heißt das eigentlich so, wenn Mäuse ihre Kackhäufchen irgendwo hinterlassen?) bedeckten Kisten in den Weiten meiner unaufgeräumten Kellerräume habe ich schließlich noch einen „Stereo Cassette Player“ in Form eines Walkmans gefunden. In der Hoffnung, dass ich nicht irgendeiner fragwürdigen Sekte auf den Leim gegangen bin, habe ich mal ganz vorsichtig „Play“ gedrückt und…zu spät!!! Jede*r weiß doch, dass liegengebliebene oder plötzlich auftauchende USB-Sticks Viren enthalten, die das System infiltrieren und für Chaos sorgen können. So auch bei diesem Tape hier! Mein Gehirn wurde mit den ersten Klängen in die späten 80er Jahre zurückgespult, um dann immer wieder – ähnlich wie bei der Ziehung der Lottozahlen – mit neuen Erkenntnissen und Eindrücken fast in den (positiven) Wahnsinn getrieben zu werden.

Los geht‘s mit einem kleinen, aber feinen Intro, bei dem man schon erahnen kann, wohin die Reise geht: Fliegen surren an den Ohren und  dann sind sie auch schon im Gehirn angekommen. Der Opener „Neonschein“ beginnt mit bohrenden Synthi-Klängen und Digidrums, so dass die ehrwürdigen „Kraftwerk“ oder gar die „Pet Shop Boys“ vor Neid erblassen dürften. Doch dann geht das Midtempo-Gerocke los und auf die Digi-Mische setzt sich ein Gesang drauf, der melodisch und mit einer angenehmen Portion Hall dem Ganzen die Disco-Krone aufsetzt. Fetziger Elektro-Rock‘n Roll mit einem wunderschönen, melodischen Refrain bekomme ich bei „Tanzen auf Beton“ aus den Kopfhörern entgegen gehämmert. Sehr geiler Scheiß bislang. Aber der Höhepunkt sollte nicht lange auf sich warten lassen: „Das Auge des Gesetzes“ ist für mich Disco-Death-Punk der allerfeinsten Sorte und haut mich von den ersten Tönen wirklich um, wow! Der Refrain beißt sich in mich hinein und beim Mitwippen mit meinem bärtigen Schädel hängt der Kopfhörer halt das eine oder andere mal dumm an mir herunter. Was soll‘s! Gerade rücken das Ding und weiter im Text. Es wird schnell, es wird punkig roh und der Pogo unter der Discokugel ist bei einer eventuellen Liveperformance vorprogrammiert. Ein wahrer „Schockhautmoment“ eben. So gefällt Pistolero das Rasenmähen (denn dazu bin ich mittlerweile übergegangen, weil ich Angst hatte, plötzlich doch in einem Science-Fiction-Streifen wiedergeboren zu werden, falls ich nicht augenblicklich mein Zimmer verlasse!). „Der erste Moment“ und das darauffolgende „Der letzte Moment“ gehören konzeptionell zusammen und bieten einen musikalischen Mix aus Turbostaat und The Cure. Finde ich mega interessant, da in dieser Kombi noch nicht gehört! Das letzte Stück hat dann meine Erinnerung an den oben erwähnten Abend raus gekramt, als die beschriebene Agentin S. etwas von „Kuchen“ und „Treffen“ und „Bier“ in mein Ohr hauchte. Verstehe jetzt, was das zu bedeuten hatte, denn der finale Song auf diesem wunderbaren, limitierten Tape ist eine musikalische Einladung zum antifaschistischen, veganen Kuchen-Stammtisch, bei dem das Bier noch in Dosen serviert wird. „Kein Kuchen den Faschisten“ ist Deutschpunk-Geschrammel pur mit rotzigen Vocals und fetten Gitarrenklängen. So soll sich das anhören und so wird auch geliefert. Chapeau! Neuer Hashtag gefällig? Voila: #elektrodeathnewwavehookerpunks

#supportyourlocals-Wochen im Saarland…Was passt da besser in Pistoleros Redaktionsplan, als das neue Band-Projekt seines Buddys Measy vorzustellen. Eine Ehre es mir ist! Zusammen mit Shorty, der auf diesem Werk für die Synthi-Klänge und alle weiteren Instrumente verantwortlich ist, haben es „Wir sind Fliegen“ geschafft, mich ganz schnell in ihren Bann zu ziehen. Weil es irgendwie bekannt klingt, aber trotzdem verdammt originell. Das kommt dabei heraus, wenn man musikalisch bereits einige Jahrzehnte durchlaufen hat und man zu seinen Wurzeln zurück kehrt, um diese ein bisschen umzutopfen und etwas Neues entstehen zu lassen. Elekto, Punk, altbekannt und doch (nicht) modern: Eine Mischung, die Spaß macht und durchaus tanzbar daherkommt. Die Vocals auf diesem Tape mag ich sehr, weil ich die Stimme fernab des Punk‘n Roll-Measys schon immer gerne zu allen möglichen Anlässen privat in meine Ohrmuscheln habe hinein röcheln lassen. Zu den Texten kann ich sagen, dass sich straighte Wortspiele, wie z.B. bei „Neonschein“, „Tanzen auf Beton“ oder meinem Favoriten „Das Auge des Gesetzes“ mit ihren eindeutigen politischen und system- und gesellschaftskritischen Aussagen abwechseln mit kryptischen Passagen in den Songs „Der erste Moment“ oder „Der zweite Moment“. „Kein Kuchen den Faschisten“ bedarf keiner Inhaltsangabe und so freue ich mich auf Kuchen und Bier in naher Zukunft an einem traumhaften Strandabschnitt an der Saar mit herzlichen Menschen und guten bzw. besten Freunden <3.

Fuck Disco, geht mehr auf Punkrock-Konzerte!  Dann wird das wieder was mit unserem Planeten…vermehrt euch wie die Fliegen!

Wir sind Fliegen im Internet:

https://www.wirsindfliegen.de